(c) ORF
06.05.2009 - APA
24.04.2009 - APA
20.04.2009 - profil
18.04.2009 - Die Presse
15.04.2009 - Kurier
08.04.2009 - Falter
01.04.2009 - Falter
01.04.2009 - Kleine Zeitung
31.03.2009 - Kurier
27.03.2009 - APA
21.03.2009 - Salzburger Nachrichten
13.03.2009 - APA
01.01.2009 - Wiener
23.05.2007 - SOS-ORF
19.05.2007 - Armin Wolf
12.05.2007 - Peter Huemer
17.05.2006 - Armin Wolf

19.05.2007 - Armin Wolf

Nein, es war keine Verschwörung. Keine strategisch ausgeheckte linke Konspiration unter den Auspizien des Präsidenten: erst erschleicht sich einer einen Preis, der in der würdigen Hofburg verliehen wird, hält dort mit präsidentiellem Segen eine monatelang präparierte "Brandrede", und tags darauf rückt SOS-ORF mit seiner Internet-Petition an, natürlich alles in Abstimmung mit Rot und Grün und nur mit dem Zweck eine bürgerliche ORF-Führung aus dem Amt zu schießen, um endlich wieder ungehindert "Rotfunk" zu betreiben.

Wahr ist vielmehr, dass vor einem Jahr viele, viele Journalisten im ORF verzweifelt waren. Weil sie ihre Arbeit nicht so tun konnten, wie sie es gelernt hatten. Weil in der Fernseh-Information ein Umgangston herrschte wie auf einer Galeere und weil als oberstes Motto für die Info-Sendungen galt: "Ruhe ist oberste Bürgerpflicht" und: "Nur keine Wellen". Das hatten wir schon mehr als vier Jahre lang und fünf weitere schienen sicher. Denn die ÖVP-Führung hatte sich längst darauf festgelegt, die Generaldirektorin nochmals zu bestellen und den Fernseh-Chefredakteur zum allmächtigen Infodirektor zu befördern.

In dieser Situation bekam ich einen Preis für "kritischen TV-Journalismus" verliehen. Ein Anlass, um über die Rahmenbedingungen für kritischen TV-Journalismus in Österreich zu sprechen. Das hieß aber, über meinen Arbeitgeber zu reden, denn nennenswerten politischen Fernsehjournalismus gibt es hierzulande nur im ORF. Natürlich wollte ich nicht über Interna reden – die gehören intern ausgestritten. Aber der Zustand der Informationsabteilung im Fernsehen war vor allem auch ein demokratiepolitisches Problem.

Die totale Zentralisierung mit einem Chefredakteur, der für alle Info-Sendungen direkt verantwortlich war und der tagtäglich vorgab, was Thema war und vor allem, was kein Thema war (Diskussion: möglich, aber fast immer zwecklos). Dazu der brutale Druck der Regierungskoalition auf den ORF: Das waren keine internen Befindlichkeiten mehr, sondern eine nachhaltige Bedrohung für das wichtigste Forum demokratischen Diskurses in diesem Land, was nicht heißt, dass es früher keinen politischen Druck auf den ORF gegeben hätte – den gab es. Viel zu sehr. Und trotzdem hatte er zuletzt eine neue "Qualität" erreicht.

Darüber habe ich zwölf Minuten lang gesprochen – und die Standing Ovations meiner ORF-Kollegen und mehrere hundert E-Mails in den Tagen darauf ließen ahnen, dass nicht nur ich das so erlebte. Von den Vorbereitungen zu SOS-ORF wusste ich an diesem Tag noch gar nichts, aber die Debatte, die ich anstoßen wollte, ging los und wurde viel lauter, als ich das je erwartet hatte.

Ein Etappensieg für ...

Wenige Tage später ging SOS-ORF ins Netz und an die Öffentlichkeit – und das Beeindruckende an dieser zivilgesellschaftlichen Spontanaktion war ihre politische Breite: gestandene Konservative wie Paul Schulmeister und Fritz Csoklich engagierten sich neben Barbara Coudenhove, Peter Huemer und Elfriede Jelinek, Gerd Bacher ließ an seiner Sympathie keine Zweifel. Ein paar couragierte Kollegen (Lorenz Gallmetzer, Christian Schüller und Hannes Fischer) erzählten im profil erstmals öffentlich über das verheerende Klima in der Info-Redaktion, was den Anstoß zu einer bisher einmaligen Untersuchungskommission gab.

Und trotzdem wäre das alles vielleicht verpufft – mit Getöse von der Süddeutschen bis zur NZZ, aber letztlich ohne Wirkung –, hätte sich nicht ein politisches Mondfenster aufgetan. Die schwarz-orange Koalition war wenige Monate vor der Wahl am Zerbröseln und frühere Treueschwüre des BZÖ galten plötzlich nicht mehr. Die "Regenbogen-Koalition" entstand – am Ende noch verstärkt um die schwarzen Betriebsräte, die sich in letzter Minute auf die Siegerseite schlugen.

Und: Hat es sich ausgezahlt? Allemal.

Ist jetzt alles perfekt? Natürlich nicht.

Im ORF ist nie alles perfekt. Das ist nun mal so in Großunternehmen, in öffentlichen und ziemlich bürokratisierten wahrscheinlich noch mehr. Aber was die Freiheit der Fernseh-Information angeht – und die war das Thema meiner Rede –, so ist sie heute wieder unvergleichlich größer, als sie in den Lindner/Mück-Jahren war und auch in den letzten beiden Jahren unter Gerhard Weis. Die strikte Zentralisierung ist abgeschwächt, TV-Magazine und aktuelle Information wurden getrennt. Alle größeren Sendungen und die "ZiBs" haben eigene Sendungsverantwortliche und kleine Teams. Ich persönlich würde mir noch mehr wünschen: größere eigenständige Redaktionen, die miteinander in Konkurrenz stehen, als strukturelle Garantie für maximalen Pluralismus. Aber es war ein großer Schritt in die richtige Richtung.

... die Unabhängigkeit

Dazu kommt: ein neuer Chefredakteur, der seine Mannschaft arbeiten lässt. Und der politische Druck auf die Redaktionen ist dramatisch geschrumpft. Warum, ist mir, ehrlich gesagt, zum Teil ein Rätsel. Der "Regenbogen" ist wohl politisch zu disparat, um gemeinsam Pressionen auszuüben. Da tat sich die vorherige Regierung deutlich leichter. Und SPÖ und ÖVP haben offenbar noch zu viel Arbeit miteinander, um den ORF niederzuintervenieren. Angeblich, so hört man, landen trotzdem recht massive „Wünsche“ aller möglichen Parteien beim neuen Informationsdirektor. Falls das so ist, gibt er sie jedenfalls nicht direkt nach unten weiter. Gut so. Möglicherweise ist das alles auch nur ein kurzer, sonniger Honeymoon – bis sich die Koalition wieder an die gemeinsame Macht gewöhnt hat und den ORF wieder in die Zange nimmt. Hoffentlich haben wir uns bis dahin wieder so an unsere Freiheit gewöhnt, dass wir sie uns nicht mehr nehmen lassen.

Natürlich machen wir noch immer Fehler. Aber jetzt sind es wenigstens die Fehler, die wir selbst machen. Aus denen können wir lernen. Und wenn in den letzten Wochen tatsächlich die Streifen im "ZiB"-Studio das größte Problem in der Fernseh-Information waren – dann hat es sich definitiv ausgezahlt. (Armin Wolf, DER STANDARD; Printausgabe, 19./20.5.2007) 
Seitenanfang