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ORF neu - Vom Regen in die Traufe?

Der neue General hat einen Vertrauensvorschuss - Aber er muss aufpassen, diesen nicht zu verspielen - Von Barbara Coudenhove-Kalergi

Armin Wolf und die Initiative SOS ORF haben dem Sturz von Monika Lindner und Werner Mück und dem Sieg von Alexander Wrabetz und seinem Team den Weg bereitet. Das Erstere ist wunderbar, das Letztere problematisch. Hat, wie erhofft, die Unabhängigkeit gewonnen? Oder doch eher das BZÖ? Auf den kolportierten Listen derjenigen, die jetzt aufsteigen sollen, finden sich viele (allzu viele?) BZÖ-Sympathisanten und nicht wenige, die während der vergangenen Ära brav den Mund gehalten haben und sich jetzt als heimliche Widerstandskämpfer outen. - Scheint ein Charakteristikum hiesiger Umstürze zu sein.

Am Anfang der Wende im ORF stand der Protest gegen den Niedergang des Programms und gegen die Regierungspropaganda in den Informationssendungen. Die Redakteure, die diesen Protest artikulierten - übrigens durchwegs erstklassige Könner -, riskierten ihre Karriere. Sie, die der Chefredakteur der Presse jetzt so verächtlich die "angeblich unabhängige Naivenorganisation" nennt, wollten nur zwei Dinge: Unabhängigkeit und Qualität. Natürlich wussten auch sie, dass in diesem Lande, wie es Wolfgang Schüssel unverblümt aussprach, "Demokratie durch politische Parteien vermittelt" wird und ein vollkommen unabhängiger Rundfunk daher ins Reich der Utopie gehört. Aber ohne Utopie kein Fortschritt.

Übermut zu weit getrieben

Es war legitim, dass die Oppositionsparteien ihre Chance sahen, als der angeblich in Erz gegossene Thron der ORF-Generaldirektorin ins Wanken geriet, auf den die niederösterreichischen ÖVP- Granden diese gesetzt hatten. Die große Regierungspartei hatte ihren Übermut zu weit getrieben, als sie gegen jedes bessere Wissen öffentlich von "guter Arbeit" und "Entpolitisierung" sprach. Und dass BZÖ-Chef Westenthaler noch kurz vor dem drohenden Debakel bei der Nationalratswahl beim ORF herausholte, was herauszuholen war, ist ebenfalls nachvollziehbar. Aber nachdem sich der Pulverdampf über dem Parteienschlachtfeld verzogen hat, ist es Zeit, an die ursprünglichen Ziele der Plattform SOS ORF zu erinnern. Ein weit überzogener Einfluss für Orange-Blau gehörte nicht dazu.

Der neue ORF General sollte nicht vergessen, wem er letztendlich seinen neuen Job verdankt. Und er sollte auch wissen, dass eine selbstbewusster gewordene Belegschaft auch die neue Führung kritisch im Auge behalten wird. Nirgends steht geschrieben, dass die Mück-Untersuchungskommission die letzte ihrer Art gewesen ist. Wenn die samtene Revolution im wichtigsten Medium des Landes irgendeinen Sinn gehabt hat, dann den, dass die Bezeichnung "öffentlich-rechtlich" wieder eine Bedeutung erlangt, dass wieder ein Klima entsteht, in dem sich Talente entfalten können, Diskussionen geführt werden, die das ganze Land interessieren, und der Beweis erbracht wird, dass Unterhaltung auch spannend und geistreich sein kann.

Vertrauensvorschuss

Ein gutes Fernsehprogramm steht und fällt mit den Leuten, die es verwirklichen müssen. Alexander Wrabetz ist von einer Parteienkoalition gewählt worden, aber mit entscheidender Hilfe von Parteiunabhängigen. Auch mit diesen muss er rechnen, wenn er Erfolg haben will. Nur die Parteizentralen zu befriedigen, wird nicht genügen. (Die Entscheidung, Peter Westenthaler seinen "Sommergesprächs"-Termin selbst bestimmen zu lassen, war kein gutes Signal.) Der neue General hat einen Vertrauensvorschuss. Aber er muss aufpassen, diesen nicht zu verspielen. (DER STANDARD; Printausgabe, 21.8.2006)
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