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21.08.06 - Barbara Coudenhove-Calergi
19.08.06 - Hans Rauscher

19.08.06 - Hans Rauscher

"SOS ORF" wird noch gebraucht

Das Positive für den ORF an der neuen Situation ist, dass eine zukunftslose Situation aufgebrochen wurde

Bundeskanzler Schüssel ist persönlich den Leuten treu, zu denen er einmal Vertrauen gefasst hat. Das ist die eine, milde Erklärung dafür, dass er so lange an dem Team Lindner/Mück festgehalten hat, bis es zu spät war. Die andere ist, dass die ÖVP unter Schüssel ohne Maß agiert, wenn es um die Umfärbung des Landes ging. Kreisky wählte als Nationalbankpräsidenten einen Ex-ÖVP-Finanzminister (Koren), als Verstaatlichten-Chef einen Deutschnationalen (Geist) und für den Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes einen Bürgerlich-Liberalen (Adamovich). Die Schüssel/Khol/Molterer-ÖVP wollte alles besetzen, besonders im ORF - und mit ungeeigneten Leuten.

Dagegen bildete sich Widerstand einer Art Zivilgesellschaft. Die Initiative "SOS ORF" besteht im Wesentlichen aus einer Hand voll ORF-Mitarbeitern, davon einige schon pensioniert. Sie vermochte jedoch, zugleich, aber keineswegs abgesprochen, mit einem willensstarken Moderator Armin Wolf und einiger publizistischer Unterstützung (auch in dieser Kolumne), die katastrophalen Managementmethoden und mangelnde Zukunftsfähigkeit des Regimes Lindner/Mück zu thematisieren. Das erzeugte in einer interessierten und qualifizierten Öffentlichkeit (75.000 unterschrieben auf der Website von SOS ORF) genügend Zweifel an der Weisheit der ORF-Politik der herrschenden Mächte.

Diese Situation nutzte nun der liberale Finanzchef Alexander Wrabetz, um seinen Coup durchzuziehen. Soweit man das nachvollziehen kann, hat er sich seine Mehrheit großteils selbst zusammengebastelt, vor allem, was die Kaperung des BZÖ betrifft, und zwar schon zu Anfang des Sommers. Die hatte natürlich ihren Preis und der lautet: Der alte Haudegen Elmar Oberhauser wird Informationschef. Oberhauser ist in Erinnerung als wuchtiger Interviewer und Moderator von Politiker-und Sportlerrunden, zweifellos ein journalistischer Profi. Er muss aber noch etliche Stiftungsräte davon überzeugen, dass seine Managementmethoden besser und anders sind als jene Mücks.

Die ÖVP sagt nun, die SPÖ habe genau das gleiche getan wie sie schon lange, nämlich mit Jörg Haider gepackelt. Da ist was dran. Alles hängt jetzt davon ab, ob die SPÖ den zweiten, den Wahnsinnsschritt tut, und mit dem BZÖ eine längerfristige, intensivere politische Kooperation, nach den Wahlen vielleicht sogar eine Koalition eingeht. Man möchte glauben, dass das in der Gusenbauer-SPÖ unmöglich ist, kann andererseits aber schon die Entschuldigungen nach vollbrachter Tat hören: "Wir haben es tun müssen, weil sonst würde die ÖVP statt uns den Kanzler stellen." Jenseits polit-hygienischer Grundsätze sei nur ein realpolitisches Argument vorgebracht: Wenn Gusenbauer auch nur den Schatten eines Zweifels offen lässt, dass er vielleicht doch mit Haider/Westenthaler koalieren will, verliert er bei der Wahl ein bis zwei Prozent an die Grünen.

Das Positive für den ORF an der neuen Situation ist, dass eine zukunftslose Situation aufgebrochen wurde. Das Ancien Régime hat die Herausforderungen nicht begriffen, das habe sich auch bei der Präsentation Lindners vor dem Stiftungsrat gezeigt, sagen selbst schwarze Stiftungsräte. Die harte Wahrheit ist: Der ORF hat zu viele Mitarbeiter. Und in einem neuen ORF-Gesetz muss gesichert sein, dass die Betriebsräte kein Erpressungspotenzial mehr haben. Wrabetz versteht die wirtschaftlich-technologischen Herausforderungen. Sein Team ist aber teilweise die Folge eines Deals, der mit der Wäscheklammer auf der Nase durchgezogen wurde. Eine interessierte Öffentlichkeit muss darauf achten, dass die Folgen begrenzt bleiben und notfalls saniert werden. SOS ORF wird noch gebraucht. (DER STANDARD, Printausgabe, 19./20. August)
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