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23.08.06 - Peter Huemer
21.08.06 - Barbara Coudenhove-Calergi
19.08.06 - Hans Rauscher

23.08.06 - Peter Huemer

Ein neuer Anfang

Innenministerin Liese Prokop hat nach der Abwahl von Lindner/Mück gemeint, an der Beziehung der ÖVP zum ORF werde sich auch in Zukunft nichts ändern. Das muss ein Irrtum sein. Denn würde das zutreffen, wäre alle Anstrengung vergeblich gewesen.

Das kann aber nicht heißen, dass jetzt die anderen dran sind. Allerdings ist die Vorstellung, dass der ORF nun zum Selbstbedienungsladen für Rote, Grüne, Blaue und Orange werden könnte, wie er es in den vergangenen fünf Jahren für die ÖVP gewesen war, schon deswegen unsinnig, weil diese Parteien nicht nur in Konkurrenz gegen einander stehen, sondern auch in vielem gänzlich verschiedene Wertvorstellungen haben. Und selbst wenn es den Versuch geben sollte, alle ein bisschen zu bedienen, so wäre das immer noch erträglicher, als wenn eine Fraktion allein mit voller Wucht ihre Interessen im ORF durchzusetzen vermag, weil allein schon die gegensätzlichen Positionen eine gewisse Pluralität garantieren. Aber wünschenswert ist das natürlich nicht. Es geht vielmehr darum, dass die Berichterstattung des ORF in Zukunft dem Wortlaut des ORF-Gesetzes und dem Redakteursstatut entspricht. Dafür ist Alexander Wrabetz gewählt worden.

Der Chefredakteur der "Presse" bezeichnet SOS-ORF als "Naivenorganisation" und als "nützliche Idioten", weil wir eben diese Forderung zehn Wochen vor der Wahl erhoben haben und auch nach der Wahl darauf beharren. Da nützt es gar nichts, dass die überwältigende Mehrheit der Zuseherinnen und Zuseher genau dasselbe vom ORF erwartet: als "naiv" gilt in Österreich, wer schlicht und einfach die Einhaltung des Gesetzes fordert - unabhängig davon, wem das gerade nützt oder schadet. Aber ganz so naiv waren wir auch wieder nicht: wir haben tatkräftig mitgeholfen, dass die gegenwärtige Geschäftsführung, der wir keine Verbesserung zugetraut haben, abgelöst worden ist. So etwas bezeichnet man im allgemeinen als Erfolg.

Dazu hat es eines breiten, höchst disparaten Bündnisses bedurft. Die Schuld daran, dass es dazu kommen musste, trägt - sorry! - wieder einmal die ÖVP mit ihrer Gesprächsverweigerung in den Wochen vor der Wahl. Das sture Beharren auf dem Duo Lindner/Mück, von dem im übrigen mit Ausnahme der niederösterreichischen Betonfraktion auch in der ÖVP kaum jemand überzeugt war, hat dieses Bündnis notwendig gemacht. Im Interesse des ORF.

Nun gibt es den Vorwurf, dass Rote und Grüne nichts dabei finden, sich mit Blauen und Orangen abzusprechen. Dabei erstaunt, dass die Herren Molterer und Fleischhacker den offensichtlichen strukturellen Unterschied nicht erkennen, der zwischen einer FPÖ-Regierungsbeteiligung einerseits und einer punktuellen Absprache zur Ablöse einer ablösereifen Generaldirektorin andererseits besteht. Letzteres ist im Notfall legitim, ersteres halte ich persönlich noch immer für unerträglich.

Was ist ein Notfall? Der ORF, meine ich, war wegen seiner Bedeutung als Leitmedium des Landes wichtig genug. Aber natürlich sind hier die Grenzen fließend. Ein SPÖ-Bündnis mit BZÖ und/oder FPÖ wäre genauso unerträglich wie jenes der ÖVP. Doch immerhin ist zu hoffen, dass sich die BZÖ-Frage mit der Wahl am 1. Oktober von selbst erledigt. Bliebe die FPÖ. Schlimm genug, allerdings existiert eine FPÖ-artige Partei in vielen westlichen Demokratien. Das ist zu ertragen - so lange sie nicht in der Regierung sitzt. Das war ja der Schüssel-Skandal: mit einer solchen Partei ein Koalitionsabkommen zu schließen. Wer das seit sechs Jahren akzeptiert, hat daher überhaupt kein Recht, sich nun über das "Eritrea-Bündnis" aufzuregen.

Wir wissen nicht, was Alexander Wrabetz vor seiner Wahl wem versprechen musste. "Nichts ist in Stein gemeißelt", hat er nach seiner Wahl gesagt. Das ist auch gut so, weil Wrabetz vor der Wahl unter enormem Druck stand und insbesondere vom BZÖ als dem Zünglein an der Waage offenbar in Geiselhaft genommen worden ist. Er möge sich daran erinnern, dass die Geisel alles versprechen darf und nichts halten muss. Und da Parteiengespräche nun einmal unvermeidlich sind, ist es doch wesentlich vernünftiger, auch mit der nach ihrer Schlappe nun wieder gesprächsbereiten ÖVP zu reden statt mit dem BZÖ, das es hoffentlich nach dem 1. Oktober nicht mehr lang geben wird, nachdem dessen hauptsächliches Verdienst darin lag, das nationale Lager in einem komischen Akt der Selbstzerfleischung zu spalten.

Das alles möge der zukünftige ORF-Chef bedenken. Dabei sollte fairerweise am Anfang nicht gleich jede Wrabetz-Entscheidung auf die Goldwaage gelegt werden. Das gilt auch für die Groteske rund um Westenthalers "Sommergespräch". Gerade die ÖVP, die jetzt fünf Jahre im ORF geschaltet und gewaltet hat, sollte sich noch ein bisschen zurückhalten und dem Neuen Zeit geben. Aber gleichzeitig wäre es vielleicht doch klug, wenn Wrabetz mit der Bestellung seines Direktorenteams bis nach der Nationalratswahl warten könnte. Denn manches könnte sich dann erübrigen.

Und eines stimmt schon: die Erwartungen an Alexander Wrabetz sind hoch. Sowohl im ORF selbst, wo seine Wahl mit großer Erleichterung aufgenommen wurde, als auch außerhalb. Und die Forderungen, die SOS-ORF erhoben hat, gelten selbstverständlich auch für die neue Geschäftsführung: ein intelligentes Programm, das den Namen öffentlich-rechtlich auch wirklich verdient. Und die politische Gängelung des ORF, egal durch welch Partei oder Regierung, muss endlich aufhören. Das heißt, die Verantwortlichen im ORF müssen sich in Zukunft glaubhaft gegen politische Zumutungen zur Wehr setzen. Die neue Geschäftsführung wird daran zu messen sein,

Ein letztes: Michael Fleischhacker meint, dass SOS-ORF den Untergang des Abendlands befürchtet. Das stimmt aber nicht. Der Untergang des Abendlands war immer eine Spezialität von "Die Presse". Da wollen wir nicht dran rühren. (Die Presse, Printausgabe 23.08.2006)
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